Fisematenten
Neulich auf der Autobahn
Kurz vor unserem Ziel gerieten wir in einen Stau, verursacht durch einen sehr schweren Unfall. 10 km warten auf der A7.
Das ist nervig, aber nicht zu ändern. Wie üblich wurde eine Rettungsgasse gebildet. Schon nach kurzer Zeit fiel uns eine Frau auf, die sich mit Ihrem kleinen Fiat durch die Reihen zwängte und ein Auto nach dem anderen auf dem Standstreifen überholte. Ich muss zugeben, dass uns das ärgerte und wir es ihr sehr schwer machten, uns zu überholen. Als sie auf gleicher Höhe war, deutete sie durch Fingerzeig an, dass wir das Fenster öffnen sollten. Sogleich schrie sie uns an und wir mussten eine Schimpfkanonade über uns ergehen lassen. Sie war mit ihrem Kleinkind unterwegs, welches anscheinend Hunger hatte. Also hatte sie es eilig, auf den nächsten Rastplatz zu kommen.
Deshalb mussten wir uns beschimpfen lassen?
Leider war ich mal wieder so baff, dass mir spontan keine passende Antwort einfiel. Pommes und Bratwurst waren also wichtiger als ein Schwerverletzter? Dem Kind war es nicht zuzumuten auf die ersehnte Mahlzeit zu warten und ein wenig Hunger zu haben?
Das ist doch total absurd aber irgendwie typisch für unsere heutige Gesellschaft.
Frust ertragen und sich hintenanstellen, geht nicht mehr. Wir lesen unseren Kindern jeden Wunsch von den Lippen ab.
Übrigens gilt das gleiche in der Hundeerziehung. Für mich ist es eines der wichtigsten Erziehungsziele, dass unser Vierbeiner das Warten lernt. Frustrationstoleranz und Impulskontrolle sind die Schlüsselwörter.
Hunde und Kleinkinder drücken, im übertragenen Sinn, die Knöpfe der Erziehungsberechtigten und diese reagieren sofort. Wenn sie es dann einmal nicht tun, können sie mit einem Wutanfall des Nachwuchses rechnen.
Vielleicht ist es nicht ganz richtig, die Erziehungsmethoden von Kleinkindern und Hunden zu vergleichen, doch ist meiner Meinung nach, vieles sehr ähnlich.
Wahrscheinlich ist es eine Folge der antiautoritären Rebellion von 1968, das Eltern vergessen haben, NEIN zu sagen.
Ein gutes Maß an Frustrationstoleranz ist wichtig, damit wir bei einem Misserfolg nicht gleich vor Wut an die Decke gehen und eine Toleranz gegenüber Enttäuschungen entwickeln. Wenn wir gelernt haben, mit Frustration umzugehen, zeichnet uns ein höheres Durchhaltevermögen aus. Wir werfen nicht gleich, beim kleinsten Widerstand, die Flinte ins Korn.
Frustrationstoleranz wird uns nicht angeboren, sondern wir müssen sie erlernen.
Auf einem Hundeseminar wurde ich gerügt, weil ich meinem Hund verbal verboten habe, aufzustehen. Ich gab lediglich ein einfaches „Nein“ von mir. Die Hundetrainerin beschimpfte mich und sagte, dass mein Hund durch Verbote einen psychischen Schaden davontragen könne.
Ehrlich gesagt, verstehe ich die Welt nicht mehr. Vielleicht klappt antiautoritäre Erziehung bei dem ein oder anderen. Doch die große Masse versagt jämmerlich.
Ich finde diesen Trend sehr bedauerlich und auch gefährlich.
Marion Lindhof